Einführungsrede von Dr. Stefan Vöhringer anlässlich der AusstellungsEröffnung in der MerkurGalerie der IHK zu Kiel am 6.April 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

vor 106 Jahren, im Herbst 1905, fand in Paris eine Ausstellungseröffnung statt, die einen kapitalen Skandal nach sich zog. Damals präsentierte eine Reihe junger Künstler, die sich um den Maler Henri Matisse gruppiert hatten, Bilder von solcher Farbintensität und so starken Farbkontrasten, wie sie das Pariser Publikum bis dato noch nicht einmal bei den Impressionisten gesehen hatte.

Es sei unerhört, schrieb ein konservativer Ausstellungskritiker, wie die Maler den Besuchern gewissermaßen Farbtöpfe ins Gesicht schleuderten. Ein anderer Kunstkritiker ging noch weiter: Er brandmarkte die Ausstellenden als wilde Bestien, französisch "fauves".

Was 1905 zu so viel Aufregung im Pariser Kunstbetrieb führte, kann aus heutiger Sicht als eine der Geburtsstunden der modernen Kunst gelten. Denn: Jene wagemutigen, später Fauvisten genannten Maler, hinterließen den kommenden Künstlergenerationen ein wertvolles Erbe: die Befreiung der Farbe, ihren erstmaligen vollkommen individualistischen Gebrauch.

Zu den Erben der Fauvisten zählt auch Uwe Svensson - und er hat es verstanden, von ihrer Hinter-lassenschaft fantasievoll und experimentierfreudig Gebrauch zu machen!

Blicken Sie sich um, meine Damen und Herren: In Uwe Svenssons Bildern dominiert die Farbe. Man könnte sagen: Seine Bilder leben aus der Farbe, Farbe ist Uwe Svenssons Hauptstilmittel und der wichtigste Bedeutungsträger in seinen Arbeiten.

Ich vermute, Uwe Svensson könnte ohne Umschweife dem Bekenntnis des Bauhausgründers Walter Gropius zustimmen, dass "bunt" seine Lieblingsfarbe sei. Und auch mit seinem Landsmann Emil Nolde dürfte Svensson auf einer Wellenlänge liegen: "Farben", so Nolde, "waren mir ein Glück, und mir war es, als ob sie meine Hände liebten."

Die Farbe tritt bei Uwe Svensson zunächst als ebener Hintergrund auf. Durch den Zusatz von Lösungsmitteln bringt er sie zum Fließen, um sie dann zu verstreichen zu tröpfeln, zu schaben oder zu wischen, so dass in einem Wechselspiel von Ruhe und Bewegung viele seiner Arbeiten den Charakter regelrechter Farblandschaften annehmen. Betrachten Sie das surrealistische Bild "Die Popsängerin" als ein Beispiel.

An einer Staffelei können solche Bilder nicht entstehen - sie würden verlaufen. Uwe Svensson arbeitet vor allem am liegenden Bildträger. Die Verteilung der Farben in seinen Arbeiten mag auf den ersten Blick wie zufällig wirken, tatsächlich aber ist sie wohlkalkuliert. Uwe Svensson über die Planung seiner Bilder: "Es gibt keine unbewussten Elemente in meinen Bildern. Ich steuere ganz genau, wo und wie ich die Farbe einsetze..."

Uwe Svensson scheint mir in die Farbe "Verliebt", um den Titel seines Gesamtkunstwerkes Nr. 96 zu zitieren. Sein Herz schlägt für die Farbe - schauen Sie einmal auf die Gesamtkunstwerke unmittelbar rechts vor dem Fenster.

Ich denke, lieber Herr Svensson, man darf Sie als einen jung gebliebenen Fauvisten bezeichnen. Ich sage das auch mit Blick auf Ihren nur wenige Tage zurückliegenden runden Geburtstag: An dieser Stelle noch einmal ganz herzliche Glückwünsche und alles Gute!

Man studiere die Vita eines Künstlers. Manchmal gibt Sie Anhaltspunkte für die Betrachtung seines Werkes. Im Falle Uwe Svenssons meine ich drei solche Anhaltspunkte ausmachen zu können.

Erstens: Uwe Svensson ist ein in Schleswig-Holstein fest verwurzelter Künstler - seit seiner Geburt im Jahre 1941 ist er seiner Geburtsstadt Eckernförde stets treu geblieben.

Vielleicht rührt aus dieser Verwurzelung Uwe Svenssons Affinität zu Landschaftsdarstellungen. Sie jedenfalls standen am Anfang seiner künstlerischen Betätigung und nehmen in seinem Werk wie auch in dieser Ausstellung unübersehbar einen Schwerpunkt ein (Beispiele).

Oft sind es noldisch-norddeutsche Landschaften mit glühenden Farben, nicht selten Küstendarstellungen mit kräftigem, großem und bewegtem Himmel. Himmelschaften könnte man mit Emil Nolde sagen (Beispiele).

Zweitens: Als gelernter Rahmenbauer und Gründer der seit 1974 bestehenden Galerie Kunsthaus Eckernförde, einer der ältesten Schleswig-Holsteins, weiß Uwe Svensson um die besondere Beziehung zwischen Bild und Rahmen.

In der kleinen, lesenswerten Schrift "Die Kunst, ein Bild zu Rahmen", die auch hier in der Ausstellung ausliegt, schreibt Uwe Svensson: "Kleider machen Leute" sagt der Volksmund sprichwörtlich. Kleider dienen nicht allein praktischen Zwecken - Schutz vor Hitze und Kälte - sondern auch unserer Selbstdarstellung. Im gewissen Sinne sind Rahmen für Bilder das, was Menschen mit Ihrer Kleidung widerspiegeln wollen. Stellen wir uns ein Gemälde vor, gemalt in Öl und gespannt auf einen Keilrahmen. Man könnte es ohne Rahmen aufhängen. Doch, ein Bild ohne Rahmen wirkt nackt, schutzlos und kann seine Ausdruckskraft gegenüber kunstfremden Objekten ringsum nicht entfalten."

Uwe Svensson hat sich Vincent van Goghs Sichtweise zu Eigen gemacht: "Ein Bild ohne Rahmen ist wie ein Körper ohne Seele." Ausgehend von dieser Einsicht gestaltet er seine Arbeiten als unzertrennliche, organische Einheiten von Bild und Rahmen und nennt sie Gesamtkunstwerke. Dabei ist der Rahmen dem Bild nicht untergeordnet und das Bild nicht dem Rahmen. Ihre Zusammenstellung ist nicht beliebig oder illustrativ, sondern sie gehören zusammen und ergänzen sich gegenseitig (Beispiel abermals: Die Popsängerin).

Das ist etwas Besonderes, ein Alleinstellungsmerkmal wie Betriebswirte sagen würden, denn gemeinhin fällt es Künstlern wohl eher schwer einen passenden Rahmen für ihre Bilder zu finden. Der russische Künstler der Alexej von Jawlensky zumindest bekannte einmal freimütig: "Für mich war es zeitlebens schwerer, den passenden Rahmen zu finden, als ein Bild zu malen."

Drittens: Uwe Svensson ist an einem 1. April zur Welt gekommen. Er hat also ein Augenzwinkern mit in die Wiege gelegt bekommen.

Beim Gang durch die Ausstellung werden Sie jedenfalls reichlich Ironie entdecken. Sie begegnet Ihnen z. B. in Gestalt einer Bratpfanne, die Svensson kurzerhand auf der Leinwand befestigt hat, in den ungläubig, hervorstehenden Augen eines Theodor zu Guttenberg oder in einem Bilderrahmen aus Schnapsfläschchen.

Mit einem Augenzwinkern hat Uwe Svensson auch viele seiner Titel gewählt: So bekennt er an einer Stelle "Leber und Nieren ok", lässt schon mal eine Currywurst ein Spiegelei anmachen oder legt einen "Farbwaschgang" ein.

Uwe Svenssons unkonventionelle Bilder reizen zu Auseinandersetzung und Dialog. Bekanntermaßen gehören dazu immer zwei - der Betrachter schafft das Kunstwerk mit. "Machen" Sie sich also selbst ein "Bild". Sie haben heute Abend und in den kommenden Wochen dazu 54 mal die Gelegenheit - genau so viele Gesamtkunstwerke von Uwe Svensson sind bis zum 12. Mai in der Merkurgalerie ausgestellt.

Dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen, denn Vergnügen ist, um es mit Gotthold Ephraim Lessing zu sagen, der Endzweck aller Künste.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!