Einführungsrede von Dr. Helmut Orpel anlässlich der "Ausstellung GesamtKunstWerke Uwe Svensson" in der de Bruycker Stiftung, Schneverdingen, 30.4.2006

Uwe Svensson nennt seine Arbeiten Gesamtkunstwerke. Dies bedeutet für ihn, dass er seine Werke als eine untrennbare Einheit von Bild und Rahmen, in manchen Fällen auch als ein bewusst inszeniertes Zusammenspiel zwischen Bild, Rahmung und Passepartout versteht. Der Rahmen gehört zum Bild und das macht der in Eckernförde beheimatete Künstler hier in der Ausstellung im Atelier de Bruycker mit jedem Werk unmissverständlich deutlich: Jedes Bild ist individuell gefasst, mit einem Rahmen versehen, ein Rahmen, der in der Regel die Komposition farblich aufnimmt oder konterkariert. Der die im Bild gemachte Aussage unterstreicht oder ironisch verfremdet. Vieles ist möglich in dem auf vielfältige Weise inszenierten Zusammenspiel. Bewusst wählt Svensson unterschiedliche Materialien. Metall zum Beispiel oder Holzrahmen, die er mit Steinpatina überzieht.

Auch Varianten sind möglich, bei denen der Rahmen nicht das gesamte Bildwerk umschließt, sondern ein Ausgang eben offen gehalten wird. Es gibt auch Varianten, wie zum Beispiel das Bild Die Popsängerin im hinteren Raum, bei der die Rahmung aus unterschiedlichen, patchworkartig zusammengesetzten, dem Outfit einer Popsängerin entsprechenden Profilen besteht.. Die Art der Rahmung unterstützt die Bildaussage, die Farbwirkung, beeinflusst die Gesamtwahrnehmung nicht unwesentlich.

Rahmungen können Raumwirkungen erweitern oder verengen, je nach dem. Sie können die Wirkung eines Bildes steigern, untersteichen oder zerstören. Mit seinen Experimenten in dieser Hinsicht macht uns Uwe Svensson unmittelbar bewusst, welche unermessliche Bedeutung für die Wahrnehmung der bei der Wahrnehmung oft unterschlagene Aspekt der Rahmung hat. Beim Bild kommt der Rahmung zunächst eine rein technische Funktion zu. Sie hat das Bild zu fassen und an der Wand zu halten. Aber allein durch diese funktional bedingte Präsenz kommt der Rahmung auch eine ästhetische Bedeutung zu. Im Falle unseres Künstlers hier wird diese ästhetische Bedeutung auf sehr eindringliche Art bewusst, denn bei den Bildern von Uwe Svensson handelt es sich um Kompositionen, die fast ausschließlich durch das Kolorit bestimmt sind. Die Zeichnung tritt bei mindestens 90% der hier ausgestellten Werke vollkommen in den Hintergrund. Es dominieren leuchtende, stark nach außen hervortretende Farben, die über die Formatgrenze des Bildes hinaus, in den Realraum zu sterben scheinen. In der Regel tritt hier die Zeichnung als eine Art Gerüst hinzu, um Konturen zu schaffen, um die Wirkung der Farbe in einer Komposition zu bändigen, in einer gewissen Art und Weise also zu domestizieren. Bei Uwe Svenssons Werken, dies wird rasch deutlich, kommt diese Domestizierungsfunktion im wesentlichen der Rahmung zu. Der Rahmen erfüllt hier zu einem nicht unwesentlichen Teil die Aufgabe der Zeichnung, gibt dem Bild eine Stabilität, die es so von sich aus nicht hätte, und erlaub ihm künstlerisch, seinen Bedürfnissen, sich durch die Zeichnung ungezügelt als Kolorist ausleben zu können.

Sie sehen hier in der Ausstellung Werke aus allen Schaffensphasen des Künstlers. Am Anfang standen Landschaften, die man als typisch norddeutsche Landschaften bezeichnen möchte. Es sind noldesche Landschaften, Landschaften mit dem kräftigen, bewegten, starkfarbigen Himmeln über dem Meer, mit dem unverkennbaren 2/3 Horizont, der Weite und im Bild entsprechend Tiefe suggeriert. Diese Landschaftstopoi ziehen sich bis heute durch das Schaffen von Uwe Svensson und finden sich auch in Darstellungen von Regionen wieder, die von denen seiner Heimatküste verschieden sind, zum Beispiel bei den Arbeiten, welche auf der Insel Porto Santos, einer Nachbarinsel von Madeira, wiederfinden oder in der Seenlandschaft von Schwerin, wo die Familie Svensson vor einigen Jahren einen Osterurlaub verbracht hat. Man gelangt leicht zu dem Schluss, wenn man einmal durch die Ausstellung hier gegangen ist, dass bei jedem Bild die Landschaft eine konstituierende Rolle einnimmt. Die Landschaft oder die in den Himmel hinein erweiterte Landschaft, die Himmelsbilder, Wolkenbildungen, durch die Einwirkung von Sturm und Wind beeinflusste Wahrnehmung der Natur. In einem Teil seiner Arbeiten belässt es der Maler dabei. In einem anderen Teil bilden diese so gestalteten Farbräume die Grundlage für weiterführende Gedankenspiele, ironische Pointierungen und Geschichten, die gleichsam aus der Farbe heraus entwickelt und erzählt werden. Da entwickelt sich zum Beispiel ein Hase aus einer Reihe von Farbflecken oder zwei Spiegeleier bilden sich aus einer grünen Urmaterie heraus. Alltägliche Begebenheiten, wie beispielsweise die Aufforderung zur Vorsorgeuntersuchung zu kommen, werden zum Bildthema. Es ist ein assoziatives Gedankenspiel, das der Künstler hier betreibt und das sich in der Phantasie des Betrachters fortsetzt, indem er diese assoziativ gesetzten Gedankensplitter bewusst aufnimmt und für sich zu einem, um seine Gedankenspiele bereicherten, Flickenteppiche verwebt. Dieses dialogische Prinzip: Wie eingangs festgestellt zwischen Bild und Rahmung setzt sich hier als ein Dialog zwischen Bild und Betrachter fort und findet seinen Abschluss in der Feststellung, dass auch der Entstehungsprozess der Bilder Uwe Svenssons ein dialogischer ist.

Wenn Uwe Svensson ein Bild malt, das werden Sie, wenn sie durch die Ausstellung gehen, rasch feststellen, so malt er sie selten in einem Zug von Anfang bis Ende durch. Er hat zwar seine Idee, die am Anfang steht, und die auch titelgebend sein kann, diese Idee erlebt allerdings im fortschreitenden Prozess der Umsetzung, der Materialisierung gewissermaßen, einen Wandel. Je nachdem, welche Gedankenimpulse Farbverläufe annehmen, kann sich auch die Richtung des Bildes ändern. Dies drückt sich konkret darin aus, dass Svensson die Leinwand dreht und die Komposition neu gewichtet. Zufallselemente spielen hier in den Malprozess hinein, die nicht vorhersehbar und kalkulierbar sind. Es entstehen Wirkungen, die er aufgreift und im Fortschreiten des Malprozesses weiter verarbeitet bis hin zu gänzlichen Übermalungen. Dieser Prozess verläuft so etwa wie das wirkliche Leben, wo sich der Zufall oft als Gelegenheit offenbart, die man ergreifen oder vorbeiziehen lassen kann, der Augenblick, der das Leben verändert oder, wie hier in diesem Falle das Bild. Diese Zufälle treten in Svenssons Malerei oft als Gegenpole zu dem ursprünglich eingeschlagenen Weg auf. Oft, so werden sie bemerken tauchen gerade in den Bildern mit etwas skurril erscheinender Titelgebung widerstreitende Prinzipien auf, die aufgenommen sind und die zu einer bewusst gesteuerten fragilen Einheit zusammengewoben sind.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zum Schluss noch etwas über die Titelgebung sagen. Uwe Svensson ist ein Maler, der sich sehr genau darüber bewusst ist, dass ein künstlerisches Bild ein autonomes Wesen ist, zu dem sich jeder Betrachter seinen eigenen Zugang suchen wird. Der Titel ist somit keine Erklärung des Inhaltes, sondern bestenfalls ein kleines Hilfsangebot, um sich das Werk in seiner Vielschichtigkeit besser erschließen zu können. Was ein auf solch offene Weise gestaltetes Bild für den Betrachter letztendlich bedeutet, wird jeder von uns bei jedem neuen Zugehen auf das Werk neu ausloten müssen. Zu dieser Entdeckungsarbeit wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.